Ein Urgestein der Stephanus-Stiftung ist von uns gegangen 

In den letzten Wochen seines Lebens musizierte Ottfried Gabriel (rechts) in Gemeinschaft vor der Friedenskirche in Weißensee.

Am 26. November 2022 wurde Diakon Ottfried Gabriel heimgerufen. Über viele Jahrzehnte leitete er den Stephanus-Posaunenchor und brachte vielen Menschen mit und ohne Behinderung das Musizieren auf Blechblasinstrumenten bei. Friederike Grothe ist seit vielen Jahren Mitglied im Posaunenchor und erinnert sich.  

Ottfried Gabriel ist am 30.10.1935 in Berlin geboren und in Weißensee aufgewachsen. Als Kind erlebte er den Zweiten Weltkrieg hautnah mit und die Entbehrungen dieser Zeit prägten ihn. Später erzählte er, warum er ein Instrument lernte: „Überall dort, wo ein Posaunenchor spielte, auf Hochzeiten oder Taufen, da gab es etwas zu essen.“ So begann Ottfried Gabriel im Februar 1951 seine 71-jährige Bläserlaufbahn.

Nach einer Maurerlehre trat er 1954 eine Diakon-Ausbildung am „Kirchlich-Diakonischen Lehrgang“ in Weißensee auf dem Gelände der Stephanus-Stiftung an, und wurde 1959 als Diakon eingesegnet. Anschließend besuchte er die Kirchenmusikschule Dahme/Mark und ließ sich zum C-Kantor ausbilden. Mit dieser Musikausbildung berief ihn die Kirchenleitung von 1960–1975 in das Amt des Posaunenwartes. 

Ab 1975 arbeitete Ottfried Gabriel bis zu seinem Ruhestand 1992 in der Stephanus-Stiftung mit Menschen mit Behinderung. Aber die Bläserei wurde nicht weniger. Er unterrichtete weiterhin Diakonenschüler, Kinder von Mitarbeitern sowie Kinder und Jugendliche mit Assistenzbedarf. So entstand „der Posaunenchor“ schlechthin.

Fast 30 Jahre lang leitete und prägte Ottfried diesen ungewöhnlichen Posaunenchor. Er war Christenlehre, lebenspraktischer Unterricht, Abendteuerurlaub und Musikschule zugleich. Er machte aus allen Gelegenheiten Bläsereinsätze. Es gab Proben, Altersheimblasen, Geburtstagsständchen, Gottesdienstbegleitungen, Friedhofsblasen, Wochenendfahrten und die Bläserfahrten.
 

Jeder durfte kommen

In den vielen Jahrzehnten hat Ottfried sicher mehr als 200 Kindern und Erwachsen ein Blechblasinstrument beigebracht. Typisch für ihn war: Es durfte jeder kommen. Unter seinen Schülern waren Kinder, Rentner, Personen mit geistiger Behinderung, psychisch Erkrankte, blinde und völlig talentfreie Bläser und Bläserinnen. Ottfried hat stets alle eingebunden. 

Fast zu allen Ferienzeiten gab es Bläserfahrten. Bis zu drei Wochen haben dann die Bläserinnen und Bläser bei Gastfamilien geschlafen, am Vormittag älteren Menschen ein Ständchen gespielt, am Nachmittag in der Ostsee gebadet und am Abend einen selbstgestalteten Gottesdienst in der Kirche abgehalten. Ottfried war über Jahrzehnte lang die Öffentlichkeitsarbeit der Stephanus-Stiftung schlechthin. 

Dies war nur durch die Unterstützung der Stephanus-Stiftung und einer starken Familie im Hintergrund möglich. Er hat sich immer in den Dienst der Sache gestellt. „Gott zu loben, das ist unser Amt.“ war ein Motto von vielen Posaunenchören. Dies hat Ottfried gelebt. 

Für diese musikalische Verkündigungsarbeit hat er uns Bläserinnen und Bläsern viel gelehrt. Neben der musikalischen Ausbildung sind wir mit Ottfried durch eine Lebensschule gegangen und haben gelernt, uns in einer Gemeinschaft zurechtzufinden und unsere eigenen Bedürfnisse zurückzustecken. Er lebte uns eine Wertschätzung von allen Menschen vor, unabhängig von Bildungsgrad oder Kontostand, und strahlte ein so bedingungsloses Gottvertrauen aus. 
 
In den letzten Monaten kannte man Ottfried Gabriel durch das tägliche Musizieren gegen 17 Uhr auf dem Kirchplatz vor der Friedenskirche. Seitdem er mit seiner Frau Elisabeth im April 2022 in das Ernst-Berendt-Haus eingezogen ist, war dies zu einer kleinen Tradition geworden.

Lieber Ottfried, vielen Dank für die gemeinsame Zeit. Mach´s gut!

Die ungekürzte Fassung dieses Nachrufes finden Sie auf der Seite des Stephanus-Posaunenchores.

Friederike Grothe,
langjähriges Mitglied des Posaunenchores der Stephanus-Stiftung

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