Fotoquelle: Archiv Stephanus
Pastor Torsten Silberbach Vorstandsvorsitzender der Stephanus-Stiftung

Nicht um des lieben Friedens willen!

Gedanken zur Jahresbotschaft von Pastor Torsten Silberbach, Vorstandsvorsitzender der Stephanus-Stiftung

Wir alle wollen gut leben und eigentlich nur schöne Tage sehen. Leider ist das nicht immer die Wirklichkeit in unserer Welt. Das wusste auch der Beter des 37. Psalms, aus dem unsere Jahresbotschaft 2019 entnommen ist: „Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden. Lass ab vom Bösen und tu Gutes, suche den Frieden und jage ihm nach“ (Vers14,15)

Wenn in der Bibel von Frieden die Rede ist, dann meint das mehr, als das, was wir oft damit verbinden. Das hebräische Wort „Schalom“ (Friede sei mit dir) steht eben nicht nur dafür, dass kein Krieg ist. Schalom meint einen Zustand, in dem es allen Menschen gut geht. Schalom ist ein Zustand des Heils und meint eine sichere und geordnete Welt, in der die Schwachen unterstützt werden. Diesen umfassenden Frieden wünscht man sich, wenn sich Menschen mit Schalom oder mit dem arabischen Salam grüßen.
Dieser Frieden ist es, den wir suchen sollen.

Dass das nicht so einfach ist, liegt auf der Hand. Wäre es so, dann hätten wir eine andere Welt. Das Problem ist nämlich, dass dieser Friede nicht mal eben so über uns kommt. Sondern, dass er von dem abhängt, was ich selber bereit bin dafür zu tun. Nichts Böses reden oder denken und Gutes tun sind ein Anfang. Doch dürfen wir das nicht nur von den Anderen erwarten. Jeder Einzelne von uns kann bei sich damit beginnen.
Denn der Frieden ist ein rares Gut. Jeden Tag hören wir das in den Nachrichten. Er ist schneller verloren als gewonnen. Und wir alle wissen: Frieden hat etwas Flüchtiges an sich. Er ist fragil und verletzlich. Frieden ist kein Zustand, der, wenn er einmal erreicht ist, automatisch auch Bestand hat.

Es braucht entschlossene Menschen, die das Gute tun. Deshalb sehe ich unsere diakonische Arbeit in der Stephanus-Stiftung in diesem Sinne als einen Friedensdienst. Sie ist nicht nur ein Liebesdienst für den Nächsten, sondern ein Schritt auf dem Weg zum Heil. So gesehen, sind die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mich so etwas wie ein Friedenschor.

Wir sollen den Frieden nicht nur suchen, sondern ihn auch jagen. Aber Frieden und jagen, passt das zusammen? Hat Jagd nicht immer etwas Aggressives an sich? Zur Zeit der Entstehung dieses Psalms hatte die Jagd noch eine ganz andere Bedeutung für das Überleben. So betrachtet erschließt sich dieses Wort vielleicht auch durch seine anderen Bedeutungen: Hinter her sein, verfolgen, sich nach ihm sehnen, nicht aufgeben, denn das Überleben hängt davon ab.

Frieden ist eben kein Normalzustand. Er ist durchaus, um im Bilde zu bleiben, ein scheues Wild. Das sollte uns immer klar sein. Wie oft haben wir es selbst schon erfahren: Der Streit kommt manchmal schneller, als man denkt. Deshalb muss ich mich bemühen, Frieden mit mir und den Menschen um mich herum herzustellen und zu halten.

Frieden ist etwas Aktives!
Und noch etwas: Frieden suchen und ihm nachjagen bedeutet gerade nicht, „Um des lieben Friedens willen“ den Mund zu halten. Sondern es bedeutet, aktiv zu werden. Im dreißigsten Jahr des Mauerfalls werden wir daran erinnert.

Die geöffnete Mauer auf unserem Bild soll uns zeigen: Nur wer aktiv wird, kann etwas verändern. Mauern schaffen keinen Frieden. Wo uns Mauern eingrenzen, gibt es keine Freiheit. Wo es keine Freiheit gibt, kann kein wirklicher Friede sein. Wer den Frieden will, muss etwas tun. Dass es auch ohne Gewalt geht, haben wir bewiesen.

Was die Kolleginnen und Kollegen in Diakonie und Kirche jeden Tag tun, ist eben nicht nur ein Job. Nicht nur eine Dienstleistung, nicht nur unternehmerisches Handeln. Es ist auch und vielleicht sogar zuerst, ein aktives Eintreten für all das, was sich hinter dem Wort Schalom verbirgt. Es ist ein Dienst für diesen Frieden Gottes und das Heil in der Welt. Und wenn wir dann doch einmal, aus Ärger über wen oder was auch immer, die Aufforderung aus dem Psalm, nichts Böses zu sagen oder zu denken, ignorieren, sollten wir doch immer wieder danach streben, was unsere wichtigste Aufgabe ist: den Frieden zu suchen und ihm nachzujagen.

Dem Frieden, der mit mir beginnt und für den nur ich verantwortlich bin.
Gebe Gott uns dazu in diesem Jahr immer genug Kraft und Ausdauer. Schenke er uns das Vertrauen ineinander, dass wir zu diesem Ziel vereint unterwegs sind.

Pastor Torsten Silberbach
Vorstandsvorsitzender der Stephanus-Stiftung

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