Veränderungen - Ein Kommentar von Einrichtungsleiter Peter Molle

Kommentar Veränderungen - Peter Molle - Einrichtungsleiter im Elisabeth Diakoniewerk, Berlin-Niederschönhausen

Es liegt nun schon einige Wochen zurück, dass in den drei Bundesländern Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Landtagswahlen stattfanden. Trotzdem bewegen und beunruhigen mich die Ergebnisse im Herzen noch weiterhin.

Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein, aber wann war sie das nicht?

Die Risse in den Fugen sind in den letzten Monaten nur deutlicher, sichtbarer und spürbarer in unser Blickfeld geraten. Etliche Kriege, Terroranschläge in unmittelbarer Nähe, religiöser Fanatismus, Millionen Menschen auf der Flucht.

Und wir hier in Deutschland, inmitten von Europa, eine „Insel des Wohlstandes“ - keine EU-Außengrenzen mit schon seit Jahren ankommenden oder im Wasser treibenden Flüchtlingen, eine florierende Wirtschaft, die niedrigste Arbeitslosenrate seit Jahrzehnten. Diese „Insel des Wohlstandes“ wird nun bereichert, irritiert, behelligt oder gestört von über einer Million Flüchtlingen im vergangenen Jahr, die in unserem Land Schutz und eine neue Perspektive suchen.

Diese neu ankommenden Menschen lösen entweder Hilfsbereitschaft und Solidarität oder Angst und Argwohn aus. Je nach sozialem Stand, der jeweiligen Lebensgeschichte und Erziehung, gesammelter Erfahrung mit Neuem.

In manchen Städten - Bitterfeld, Mannheim, Ludwigshafen - haben bis zu 30 % der aktiven Wähler die sogenannte „Alternative für Deutschland“ gewählt. Eine Partei des rechten Randes, die keine Lösungen für komplexe Sachverhalte anbietet, sondern mit einfachen Parolen die Grundängste von uns Menschen anspricht: Die Angst vor Veränderung, vor dem Abgeben, vor dem Teilen, die Angst, selber zu kurz zu kommen.

Nicht die vielen zugezogenen Ausländer machen mir Angst, sondern der Kleingeist vieler Menschen, eine latente Ausländerfeindlichkeit inmitten der Gesellschaft und eine vergessene Haltung der Dankbarkeit.

Die wenigsten Stimmen bekam die „Alternative für Deutschland“ von den Wählerinnen und Wählern, die über 60 Jahre alt sind. Die Generation unserer Bewohnerinnen und Bewohner und deren Kinder, die noch aus eigener Erfahrung oder dem unmittelbaren Erzählen Krieg, Hunger, Flucht und Vertreibung erlebt haben.

Wir lesen ihre Geschichten auch immer wieder exemplarisch in unserer Hauszeitung, wenn wir eine spezielle Lebensbiografie vorstellen. Diese Menschen haben erfahren, dass es oft purer Zufall oder eine Laune der Weltgeschichte ist, wohin mich die Wirren des Lebens verschlagen können. In welcher Besatzungszone ich am Ende des Krieges strande, ob sich meine Wohnung in der Brunnenstraße nach dem Mauerbau auf dem Ostberliner oder Westberliner Gebiet befindet, ob sich Tore in der Prager Botschaft öffnen oder verschlossen bleiben.

Wenn ich diese Erfahrungen nicht mehr kenne, besteht vielleicht die Gefahr der Annahme, alles gehört mir, alles ist mein Verdienst und ich bin mein eigener Lebensmeister.

„Fürchte Dich nicht.“ Dieser Satz kommt auch in der Bibel sehr oft vor. Angst und Furcht waren schon damals ein zentrales Thema im Leben vieler Menschen. Im 2. Timotheusbrief heißt es: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.”

Den Glauben und das Vertrauen an diese Zusage wünsche ich uns allen! 

Peter Molle
Einrichtungsleiter im Elisabeth Diakoniewerk, Berlin-Niederschönhausen

 

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