Pastor Torsten Silberbach

Schenken will gelernt sein

Beim Epiphanias-Empfang am 18. Januar 2017 hielt Pastor Torsten Silberbach, Vorstandsvorsitzender der Stephanus-Stiftung, nachfolgende Ansprache.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

mit Geschenken ist das so eine Sache. Sowohl mit denen, die man selbst verschenkt, als auch mit denen, die man geschenkt bekommt. Hinter uns liegt gerade eine Zeit, in der wir wieder einige Erfahrungen diesbezüglich machen konnten.

 

Ich glaube, es gibt mehrere Arten von Geschenken. Zum einen die, die man gerne bekommt und die man auch gerne machen will. Und zum anderen die, die zu machen sind - als Zeichen guten Willens oder weil es sich ebenso gehört. Beide Grundformen sagen aber etwas über das Verhältnis vom Schenkenden und Beschenkten aus.

 

Das Bügeleisen oder der neue Kochtopf für die Hausfrau sind so ein Klassiker. Genau wie der Chemiebaukasten und der neue Pullover für das Kind, dass sich doch nichts sehnlicher wünschte, als das neue Computerspiel, das schon alle in der Klasse haben.

 

Schenken will gelernt sein.

 

Ich denke, die schönsten Geschenke sind die, die man eigentlich nicht erwartet hat. Als Beschenkten zeigen sie mir: Da hat sich jemand Gedanken gemacht. Da ist jemand, der mich wirklich versteht und der ganz genau weiß, was ich mir wünsche oder auch was ich brauche.

 

Ein solches Geschenk ist mehr als die Gabe, die ich bekommen habe. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung, des sich einfühlen Könnens und Verstehens, ja der ehrlichen, echten Zuwendung.

Wann ist es Ihnen das letzte Mal so ergangen, dass sie wirklich überrascht waren, weil sie nicht bekommen haben, was sie schon erahnten oder gar erwarteten?

 

In der Jahreslosung dieses Jahres geht es um ein Geschenk, von dem ich zumindest meine, dass es genau in diese Kategorie gehört.

 

„Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und einen neuen Geist lege ich in euch.“

 

Da heißt es nicht, ich biete dir an, oder wenn du willst dann bekommst du von mir, sondern es heißt: Ich schenke dir ein neues Herz und einen neuen Geist lege ich in dich.

 

Du kannst dieses Geschenk ignorieren, du kannst auch so tun, als wüsstest du nichts davon: Aber es ist da. Nun nutze es, denn es wird dich verändern. Ein Umtausch über Ebay oder die Rückgabe ist ausgeschlossen. Wir haben es in uns. Vielleicht ist es noch verpackt, aber es ist da.

 

Wenn wir uns dessen bewusst werden, wenn wir zu denen gehören, die von Gott noch etwas erwarten für sich und diese Welt, dann können wir eine Überraschung erwarten.

 

Im Alten Testament der Bibel ist das Herz, wie bei uns heute auch noch, nicht in erster Linie das Organ, das uns mit Blut versorgt. Sondern, es ist der Sitz der Gefühle wie der Zuneigung und der Leidenschaft. Also unser Zentrum für all das, was uns zu einfühlsamen Menschen macht. Wenn das Herz verstockt und verhärtet ist, wie z. B. beim Pharao, der das Volk Israel nicht aus Ägypten ziehen lassen wollte, dann ist das auch ein Bild dafür, dass dieser mächtige Mann nicht mitfühlend sein konnte.

 

Das drängt einen nun natürlich zu der Frage, ist es wirklich so schlimm mit uns? Sind unsere Herzen so hart und gefühllos, dass wir von Gott ein neues geschenkt bekommen müssen? Wir bekommen es nicht, wir haben es schon. Wir sind Menschen, die mit anderen fühlen können. Menschen, die sich begeistern können für die Welt, in der wir leben und für die Menschen, die um uns herum sind. Wir haben es, aber wir sind uns dessen oft nicht bewusst.
Dieses von Gott gegebene Herz, der von ihm in uns gelegte Geist, sind wohl das Beste, was man erwarten durfte. Gott überrascht uns mit diesem Geschenk, das uns die Fähigkeit verleiht, uns überraschen zu lassen, von Gott, von dem was er mit uns macht, aber auch von anderen Menschen.

 

Manchmal habe ich den Eindruck, dass in der letzten Zeit die Anzahl der Menschen zunimmt, deren Herzen sich wieder verhärtet haben und die nur an ihre eigenen Interessen denken, für die schwache Menschen eine Bedrohung und kein Auftrag sind. Für die, die eigene Sicherheit mehr wiegt, als das Lebensrecht der anderen.

 

Doch trotzdem ich diesen Eindruck habe und man vielleicht auch daran verzweifeln könnte, bleibe ich zuversichtlich und hoffnungsvoll. So wie ein Kind, das immer neues erwartet und das wächst und reift, in dem es sich nicht von seinen Ängsten überwinden lässt, sondern immer wieder neues, überraschendes, erwartet. Wie ein Kind, das nicht verlernt hat, auch in den kleinen, unscheinbaren alltäglichen Dingen noch das Besondere und Einzigartige zu entdecken.

 

Unsere Welt ist voller Geschenke für uns. Sie ist voller Überraschungen, die es zu entdecken gilt, wenn ich es denn will und wenn ich von Gott und meinem Mitmenschen überhaupt noch etwas erwarte.

 

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, mal Hand aufs neue Herz: Gerade wir in unseren Berufen, die mit Menschen zu tun haben und ihnen offen und vorurteilsfrei begegnen, gerade wir erleben doch in diesen Begegnungen so oft Überraschungen. Wir erleben es immer wieder, dass nicht alles so bleiben muss, wie es ist, sondern, dass sich Dinge, Menschen und diese Welt ändern können, uns überraschen können.

 

Bleibt vielleicht nur noch die Frage, warum Gott das eigentlich gemacht hat? Warum hat er uns diese Fähigkeit zum Mitgefühl und zur Überraschung in unser Herz gelegt? Wäre es nicht viel einfacher, uns einfach unseren Unsinn hier weiter treiben zu lassen? Irgendwann hätten wir uns doch selbst beseitigt und es herrschte wieder Frieden in der Schöpfung.

 

Doch wen man liebt, den lässt man nicht fallen. Wen man liebt, den beschenkt man gerne. Aber vielleicht liegt es ja auch daran, dass Gott ein bisschen egoistisch ist und genau wie wir weiß, dass die allerschönsten Geschenke nicht unbedingt die sind, die man bekommt, sondern die, die man anderen macht und das wunderbare Gefühl, wenn es das richtige ist, und sie damit wirklich ein bisschen glücklicher sind.

 

Oder vielleicht liegt es aber auch daran, dass Gott nicht nur uns überraschen wollte, sondern auch ein bisschen darauf hofft, dass wir auch ihn noch überraschen können.

 

Wer weiß es schon genau. Lassen wir uns überraschen…

 

Pastor Torsten Silberbach

 

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