Chancen im ersten Arbeitsmarkt

Fotoquelle: Archiv Stephanus

Norbert Nuß

Vom „Schnäppchenjäger“ zum geschätzten Mitarbeiter bei CAP

Norbert Nuß liebt Lebensmittel und vergleicht gern die Preise. Er wohnt in einer Wohngruppe der Stephanus-Stiftung in Berlin-Hohenschönhausen und kennt alle Angebote eines jeden Discounters in der Umgebung.

Voller Erwartung holt er die Reklame aus dem Postkasten und studiert die Angebote der kommenden Woche. „Warum einen Cent mehr ausgeben, wenn ich das Produkt bei einem anderen Anbieter günstiger erhalten kann?“, sagt er. Norbert Nuß kennt sie alle, die Produkte und deren Preise, und das auswendig. Eines Tages findet er im Postkasten ein Praktikumsangebot des integrativen Supermarktes CAP. Das sind zentrumsnahe Lebensmittelmärkte, die unter dem Namen "CAP ...der Lebensmittelpunkt" Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung außerhalb der Werkstatt schaffen. Hier sieht Norbert Nuß seine Chance: endlich den ganzen Tag Waren einsortieren und Angebote auspreisen; Kunden zu den gewünschten Produkten führen. Und wenn alles gut läuft, kann er vielleicht sogar an der Kasse sitzen.

Schließlich überzeugt er den Sozialdienst des L-Werkes sowie seine gesetzliche Betreuung von seinem Vorhaben – die Mitarbeitenden der Stephanus Wohngemeinschaft Degnerstraße hat er längst auf seiner Seite. Seitdem fährt Norbert Nuß morgens in aller Frühe nach Lichtenberg, um seinen Traumjob ausüben zu können. Auch am Samstag zu arbeiten macht ihm nichts aus. In kurzer Zeit hat er sich, wie Marktleiter Helge Oppitz bestätigt – gut in das Team eingeführt. Nuß betreut äußerst freundlich die Kundschaft und hat Bereichsleiter Torsten Fuhrig im Januar die Inventur durchgeführt. Zahlen und Nummern sind nun mal die Welt von Norbert Nuß. Für ihn steht fest, er möchte das Praktikum verlängern. Es tut sich sogar eine Chance auf, an der Kasse zu arbeiten. Der große Tag kommt, für vier Stunden geht sein Traum in Erfüllung. Gewissenhaft und konzentriert bedient er die Kunden an der Kasse, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Im Jahre 1999 wurde der erste CAP-Supermarkt durch Rainer Knapp der GWW/Femos gGmbH in Herrenberg aufgrund einer regionalen Versorgungslücke eröffnet. Inzwischen gibt es 104 CAP-Märkte (CAP leitet sich ab vom Wort Benachteiligung, englisch „Handicap“), vertreten in fast allen Bundesländern. In denen haben rund 1555 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund 850 Mitarbeitende mit Behinderung, einen neuen Arbeitsplatz gefunden.

Grundgedanke ist die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation und die Erweiterung der Möglichkeiten für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Zu enge Gänge machen den Einkauf manchmal zu einem echten Kraftakt. Daher sind alle CAP-Märkte barrierefrei. Freies Bewegen und der leichte Warenzugriff gehören zum guten Standard.

Der begleitete Einkauf ist ein besonderer Service, der auch älteren Kunden angeboten wird, wenn diese sich nicht so gut allein in CAP-Märkten zurechtfinden oder eine Tragehilfe brauchen. Im CAP-Supermarkt in Berlin-Lichtenberg arbeiten insgesamt 16 Mitarbeitende – davon acht Menschen mit Behinderung.

Norbert Nuß erfährt im Rahmen seines Praktikums Betreuung durch Uta Merker aus dem Sozialdienst vom L-Werk. Das ist ein soziales Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen. Frau Merker ist es auch, die eng mit der CAP-Marktleitung zusammenarbeitet. Regelmäßig dokumentiert sie die Entwicklungsschritte von Herrn Nuß, definiert mit ihm neue Ziele. So wurde in einem Auswertungsgespräch im letzten Jahr festgestellt, dass Norbert Nuß durchaus geeignet ist, einen ausgelagerten Arbeitsplatz bei CAP zu erhalten. Nun kann er unter Beweis stellen, dass er weiterhin als ein zuverlässiger, engagierter, fleißiger Mitarbeiter der Supermarktkette gebraucht und geschätzt wird.

Norbert Nuß ist trotz ausgelagertem Arbeitsplatz weiterhin beim L-Werk angegliedert und wird durch dieses betreut und begleitet. Er arbeitet verkürzt an fünf Werktagen der Woche im CAP-Supermarkt. Seine Aufgabengebiete sind u. a. die Eingangskontrolle der Waren sowie deren Verteilung. Dazu gehört das Einsortieren in die Regale und das Aussortieren abgelaufener Artikel aus den Beständen. Auch kann Herr Nuß seine Fähigkeiten im Kassenbereich erweitern und den sogenannten Kassenschein absolvieren.

Barbara Otto
Mitarbeiterin in der Stephanus Wohngruppe Degnerstraße

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