Für Kinder und Jugendliche, die in familiengelösten Betreuungsformen leben, ist Homeschooling eine besondere Herausforderung. Das betrifft auch die 43 Kinder und Jugendlichen, die in den uckermärkischen Wohngruppen der Stephanus-Stiftung zu Hause sind. Die technische Ausstattung mit Laptops oder Tablets in den Einrichtungen ist überschaubar. Es gibt nur wenige Endgeräte, die sich mehrere teilen müssen. Darüber hinaus sind auch die Internetverbindungen mit dem aktuellen Online-Bedarf überfordert.
Die Stephanus-Stiftung hat bereits Fördermittel für die Anschaffung von geeigneten Geräten beantragt. Gleichzeitig läuft ein Spendenaufruf zur Anschaffung geeigneter Endgeräte, dem schon einige gefolgt sind. Entweder mit einer Geldspende oder auch direkt mit einem noch gutem Gerät. Auch gibt es weitere schöne Beispiele der unkonventionellen Unterstützung.
Tablets ausgeliehen
Solveig Rediske leitet die Grundschule Milmersdorf. Dort gehen einige Kinder zur Schule, die von der Stephanus-Stiftung in der Region betreut werden. Die Schulleiterin stellte spontan drei Tablets für die Einrichtungen in Engelsburg und Petersdorf zur Verfügung. So können die Kinder zumindest auf diesem Wege Unterrichtsinhalte bearbeiten.
In kleinen Gruppen werden sie dabei von den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet. Sie entnehmen die wöchentlichen Aufgaben der einzelnen Klassenstufen und Schulformen aus den Mitteilungen der Lehrer bzw. auf den Seiten der jeweiligen Schulen.
„Für jedes Kind wird der Wochenplan individuell aufgestellt und mit der entsprechenden Unterstützung abgearbeitet“, berichtet Rita Koschnitzke, die vier Stephanus-Einrichtungen in der Region Templin verantwortet. Dabei tauschen sich die Mitarbeitenden regelmäßig mit den Lehrkräften aus. „Einige Schülerinnen und Schüler können die Aufgaben mit den Tablets direkt auf den Bildungsplattformen bearbeiten“, erzählt Rita Koschnitzke. Für die anderen Kinder müssen die Arbeitsblätter zeitaufwendig ausgedruckt, bearbeitet, wieder eingescannt und an die Schule per Mail geschickt werden.
Da in den einzelnen Gruppen jeweils mehrere Kinder in unterschiedlichen Klassenstufen und Förderbedarf betreut werden müssen, sind die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr hoch. Herausfordernd komme die geringe Belastbarkeit der Kinder hinzu und die selten vorhandene Eigenmotivation.
Praktisch sieht das so aus: Die Kinder und Jugendlichen werden auf mehrere Räume in der Wohngruppe aufgeteilt. Die Mitarbeitenden versuchen, jedem individuell die erforderlichen Hilfestellungen zu bieten. Jedoch stehen dafür am Vormittag nur ein bis zwei Kolleginnen oder Kollegen für 3 - 9 Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Nebenbei müssen auch die Kita-Kinder beaufsichtigt und sinnvoll beschäftigt werden.
Die Kinder müssen täglich neu motiviert werden.
„Das Vermitteln bzw. das Wiederholen von Lerninhalten als auch die Kontrolle der Aufgaben nehmen einen großen Zeitraum in Anspruch“, sagt Rita Koschnitzke. Der Umfang und die Qualität der übermittelten Aufgaben variieren zwischen den Schulen sehr stark. „Schön wäre es, wenn wir mehr konkrete Rückmeldungen und Bewertungen von den Fachlehrern bekommen könnten“, wünscht sich Rita Koschnitzke. Eine „Zensierung“ der erbrachten Leistungen, ein direktes Lob und Hinweise zu Bearbeitungsmethoden für die Mitarbeitenden bleiben meist aus, wären als Motivation aber enorm wichtig. Bei den älteren Schülern, die in der Einrichtung in Lychen leben, ist eine Vermittlung in die geplanten Praktika leider ganz ausgeblieben.
Anfänglich fanden die Kinder und Jugendlichen die Beschulung in den Gruppen noch sehr „spannend“. Mit der Dauer des Homeschoolings ist die Motivation gesunken. „Eigentlich müssten sie in dieser Situation sehr selbstständig arbeiten“, berichtet Rita Koschnitzke. Doch wer einen bestimmten Förderbedarf hat, ist das nicht zuzumuten. Manche von ihnen sind demzufolge demotiviert und frustriert. Darüber hinaus fehlen allen die sozialen Kontakte außerhalb der Gruppen.
Unterm Strich befürchtet Rita Koschnitzke, dass sich diese Zeit negativ auf die ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen auswirkt. Das Vermitteln von Wissen wird derzeit nicht fachgerecht angeboten, das Lernen im Klassenverband findet nicht statt, soziale Kontakte sind eingeschränkt, viele Kinder kommunizieren nur noch digital über soziale Netzwerke.
Dennoch ist die Leiterin zuversichtlich. „Ich bewundere meine Kolleginnen und Kollegen. Sie geben den Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Unterstützung und versuchen jeweils individuelle Lernstrategien zu entwickeln.“ Dabei entwickeln sie kreative Ideen, um den Kindern und Jugendlichen die wichtige Tagesstruktur abwechslungsreich zu gestalten sowie durch weitere Angebote zu bereichern, z. B. „Hofpausen“ mit Spiel- und Sporteinlagen, Lesewettbewerbe, Knobelaufgaben, Einbringen von Denkaufgaben im Tagesablauf oder auch das gemeinsame Kochen.
Martin Jeutner
Pressesprecher
Stabsstelle Kommunikation