Zu Beginn beschrieb Christina-Maria Bammel ihre Sicht der aktuellen Situation. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Kirchenaustritte stehen die Kirchen vor der Aufgabe, sich zu verändern. Dazu gab es bereits verschiedene Aktionspläne, die jedoch nicht wirklich erfolgreich waren. Dramatisch sei auch der Rückgang von Taufen, der sich ebenfalls auf die Mitgliedszahlen auswirken werde.
Pröpstin Bammel nimmt in der Gesellschaft eine „spirituelle Krise“ wahr. Gleichzeitig wachsen diakonische Unternehmen und ihre Zahl der Mitarbeitenden nimmt zu, obwohl der Anteil von mitarbeitenden Kirchenmitgliedern dort bei etwa 30 Prozent liegt, Tendenz abnehmend. Deshalb möchte Pröpstin Bammel mit den Menschen in der Diakonie neue Gestaltungsmöglichkeiten christlicher Gemeinschaft herausarbeiten, an denen sich auch die Gemeinden beteiligen.
Zu ihrer ganz persönlichen Vorstellung der Zusammenarbeit von Kirche und Diakonie stellte Pröpstin Bammel die Frage: „Wie schaffen wir es, eine diakonische Kirche zu werden?“. Sie wünsche sich eine inklusive Kirche für alle Menschen. Voraussetzung sei, dass sich die jeweiligen Strukturen annähern und besser ergänzen.
In der Diskussion mit den rund 30 Stephanus-Leitungspersönlichkeiten kamen auch die unterschiedlichen Erfahrungen in den Einrichtungen vor Ort zur Sprache. Bernhard Sprenger (Dr. Harnisch Haus, Berlin-Friedrichshain) sagte: „Unser kirchliches Leben in der Einrichtung ist Laienarbeit“. Die verfasste Kirche habe er schon lange nicht mehr im Haus gesehen. Petra Schomacker (Haus Müggelspree, Berlin-Köpenick) berichtete von der erfolglosen Bitte um Seelsorge beim örtlichen Pfarramt. Im Übrigen interessiere sie es auch nicht, wie viele ihrer Mitarbeitenden in der Kirche sind. Viel wichtiger sei ihr die Haltung und Einstellung ihrer Mitarbeitenden zu den Menschen.
Diakon Wolfram Döring leitet das Seniorenzentrum Ulmenhof (Berlin-Köpenick) und verwies insbesondere auf die verlässliche Seelsorgearbeit mit Ehrenamtlichen aus der örtlichen Kirchengemeinde.
Auch in den ländlichen Regionen gestalte sich das christliche Leben vielfältig, wie Antje Lachmann berichtete. Sie leitet eine Wohnstätte für Menschen mit Behinderung in Haßleben (Uckermark) und pflegt gute Kontakte zur örtlichen Kirchengemeinde. Jedoch in den letzten zwei Jahren der Coronakrise setzte sie auf engagierte Mitarbeitende und Ehrenamtliche, die in der Einrichtung die Gottesdienste auch mit Abendmahl gestalteten. Kersten Höft ist Leiter im Haus am See Brüssow (Uckermark). Er konnte berichten, dass es seit Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Pfarrer und der örtlichen Kirchengemeinde gibt. Peter Abraham, Leiter der Stephanus-Werkstätten Ostprignitz-Ruppin sagte: „Diakonie und Kirche müssen wieder lauter werden“.
Zum Ende der Gesprächsrunde wurde deutlich, alle Beteiligten wollen im Prinzip das Gleiche. Es müsse nur kreativer daran gearbeitet werden, die alt vertrauten Strukturen zu hinterfragen und zu verändern. Pastor Torsten Silberbach sagte zum Ende: „Diakonie ist organisierte Nächstenliebe und macht so das Bekenntnis der Kirche zum liebenden Gott für viele Menschen praktisch erfahrbar“. In der Stephanus-Stiftung habe man das immer so verstanden und gelebt.
Das Gespräch mit Pröpstin Bammel war auch eine Fortsetzung zum Thema Diakonische Kultur in der Stephanus-Stiftung. Bereits im Januar 2020 war Prof. Dr. Thorsten Moos zu Gast, vom Institut für Diakoniewissenschaft und Diakonie Management der Universität Bielefeld. Am 23. Juni hält Bischöfin Dr. Beate Hofmann einen Vortrag zum Thema: „Wie Feuer und Wasser? Zum Verhältnis von Theologie und Ökonomie in der Diakonie“.
Martin Jeutner
Pressesprecher der Stephanus-Stiftung
Die Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist zuständig für theologische Grundsatzfragen. Sie ist theologische Leiterin des Konsistoriums in Berlin und leitet die Abteilung „Theologie und Kirchliches Leben“. Auch die inhaltliche Koordination der Arbeitsbereiche Diakonie, Ökumene und Weltmission, Publizistik und Medienhaus liegt in dieser Abteilung.