Herr Thiel, was ist die Inflationsausgleichsprämie?
Die Inflationsausgleichsprämie ist eine Form der Lohnanpassung, die ein Unternehmen ihren Mitarbeitenden gewähren kann, um ihre Gehälter an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. Sie soll sicherstellen, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer*innen nicht durch die Inflation gemindert wird.
Und wovon hängt die Prämie ab?
Von verschiedenen Faktoren. Zum Beispiel die finanzielle Situation des Unternehmens, die wirtschaftlichen Bedingungen und die geltenden Tarifverträge oder Arbeitsverträge. In vielen Fällen sind Inflationsausgleichsprämien in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen geregelt. Wir müssen weiterhin beachten, dass wir im ganz überwiegenden Teil unserer Angebote die Löhne einer Regulierung unterliegen und nicht frei entscheiden können, was wir unseren Mitarbeitenden auszahlen. Das bestimmt auch der Kostenträger über seine Finanzierungsregeln mit.
Was halten Sie von einer Inflationsausgleichsprämie auch für Stephanus-Mitarbeitende?
Ich halte sehr viel davon, denn diese Prämie trägt zur Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden bei. Doch mir ist wichtig, dass wirklich alle Mitarbeitenden eine solche Prämie erhalten. Leider ist das in der aktuellen tariflichen Situation und der Refinanzierungsstrukturen nicht gegeben. Wir können nur da eine Auszahlung vornehmen, wo es eine tarifliche Grundlage gibt oder der Kostenträger einer Auszahlung ausdrücklich zustimmt.
Was bedeutet das?
Wir wenden in fast allen Bereichen als „Tarif“ die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (AVRDWBO) an. In dieser sind Regelungen für die Gewährung der Inflationsausgleichsprämie für Mitarbeitende von Stephanus getroffen. Doch es gibt Mitarbeitergruppen oder Bereiche, die in dieser Vereinbarung nicht berücksichtigt werden. Auch gibt es keine einheitliche Behandlung, was die Höhe der Prämie betrifft und ihre Refinanzierung ist auch nicht geklärt.
Nicht geklärt? Kommt denn das Geld dafür nicht vom Staat?
Nein, das ist nicht so. Wie bereits gesagt, sind unsere Lohnsummen reguliert und unsere Refinanzierungsstrukturen sehr differenziert. Wir sind eine Betreiberstiftung und finanzieren uns fast ausschließlich über Vergütungen, Pflegesätze, Nutzungsentgelte und Zuschüsse öffentlicher Stellen. Das bedeutet, wir müssen alle zusätzlichen Ausgaben erwirtschaften. Deshalb bedarf es großer Anstrengungen, dass wir hier eine Balance zwischen Zufriedenheit, Notwendigkeit und Finanzierbarkeit schaffen.
Wie kommen wir dahin?
Durch die Kostenträger sind unsere Ausgaben stark reglementiert und dürfen nur in einem vorgegebenen Rahmen getätigt werden. Alles, was nicht „refinanziert“ ist, führt zu einer finanziellen Belastung und somit ggf. zu einem negativen Ergebnis des operativen Geschäftes. Wir benötigen jedoch zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis, um dauerhaft unseren Aufgaben gerecht werden zu können, da u.a. auch Investitionen nur dann getätigt werden können, wenn wir Eigenmittel erwirtschaften. Also müssen wir jetzt mit den Kostenträgern darüber verhandeln, aber auch bei uns schauen, wo wir noch effizienter und stringenter handeln.
Was ist Ihr Ziel?
Die aktuellen tariflichen Regelungen zur Inflationsausgleichsprämie werden unser Unternehmen strapazieren, es wird zu Ungerechtigkeiten kommen, unser Ergebnis wird belastet und ich befürchte, es wird nicht in dem Umfang zur Zufriedenheit führen, wie das gewollt und von uns auch gefordert wurde. Deshalb sind wir dabei Wege zu finden, dass diese Prämie auch wirklich für alle Mitarbeitenden bei Stephanus zur Verfügung steht.
Wann können wir damit rechnen und wie hoch wird die Prämie bei Stephanus ausfallen können?
Die Regelungen des AVR sehen hier verschiedene Varianten vor. Neben einer quartalsweisen Auszahlung ist auch die Gewährung für die anspruchsberechtigten Personen in einer Summe zur Mitte oder Ende des Jahres 2024 vorgesehen. Es kann sein, dass wir davon Gebrauch machen (müssen). Das ist unter anderem auch davon abhängig, wie die Regelungen der Kostenträger die Refinanzierung vorsehen. Wie gesagt, das Geld, das wir auszahlen, müssen wir auch erwirtschaften und diese zusätzliche Zahlung belastet unsere Liquidität (leider).
Würden auch Auszubildende eine Inflationsausgleichsprämie bekommen?
Für Auszubildende und Praktikant*innen mit einer Entgeltzahlung, die auf Basis der AVR bei uns tätig sind, ist eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 600 € vorgesehen.
Wie geht es jetzt weiter?
Es ist ja ganz klar, dass die über 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Stephanus auf diese steuerfreie Prämie sehnlichst warten. Zum einen gibt es noch einige Unklarheiten, da der Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission leider handwerklich aus meiner Sicht nicht gut gemacht ist. Wir warten auf ein angekündigtes klarstellendes Schreiben, um dann konkrete Aussagen zu treffen, wer tatsächlich anspruchsberechtigt ist und in welcher Höhe dieser Anspruch bestehet. Weiterhin müssen wir bedenken, sie ist eine zusätzliche Leistung, die erwirtschaftet werden muss. Sie ist kein Geschenk des Unternehmens oder des Staates. Deshalb gehen wir jetzt in die Gespräche mit den Kostenträgern, um die Nutzungsentgelte, Vergütungen und Pflegesätze so anzupassen, dass wir das hinbekommen.
Was denken Sie, wie erfolgreich das sein wird?
Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben ausgezeichnete Expertinnen und Experten bei Stephanus, die intensiv daran arbeiten. Und wenn wir unsere lange Stephanus-Geschichte anschauen, wirklich nur gemeinsam haben wir immer gut gewirtschaftet. Deshalb haben wir eine finanzielle Basis, die uns hilft, die hoffentlich zeitlich begrenzten Krisen zu überwinden, so, wie wir die letzten 145 Jahre auch durch so manche Stürme gegangen sind.
Vielen Dank für diese wichtigen Informationen.