Arbeit 4.0 bei Stephanus - Mit digitaler Planung & Dokumentation mehr Zeit für das Wesentliche

Laptop und Kalender

Analoge und digitale Planungsmethoden im Prozess der Veränderung

Ambulanter Dienst – das bedeutet auch jede Menge Koordination und Dokumentation. Wie lässt sich der bürokratische Aufwand verringern, damit mehr Zeit für die persönliche Unterstützung bleibt? Die Stephanus-Stiftung setzt mit dem Projekt „Arbeit 4.0“ erfolgreich auf digitale Lösungen.

Die Stephanus-Stiftung hält für Menschen mit Behinderung eine Vielzahl ambulanter Dienste und Angebote bereit. Die Mitarbeitenden helfen beispielsweise bei Behördengängen, Einkäufen, Arztbesuchen und der Haushaltsführung. Das Wichtigste an dieser Arbeit ist der persönliche Kontakt, die direkte Betreuung vor Ort. Allerdings ist jeder Besuch bei den Klienten mit einem erheblichen Maß an Planung, Koordination und Dokumentation verbunden. Nicht selten reicht die hierfür vorgesehene Zeit nicht aus. „Wir sind für die Menschen da“, sagt Nicole Munick, Referentin für Pädagogik und Qualitätsmanagement im Geschäftsbereich Wohnen und Assistenz. „Die Bürokratie darf nicht zu Lasten der direkten Unterstützung der Klienten gehen.“

Digitalisierung der Prozesse

In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband diakonischer Einrichtungsträger V3D und gefördert durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) hat die Stephanus-Stiftung seit Mitte 2018 digitale Lösungen erprobt und umgesetzt, um die Mitarbeitenden von bürokratischem Aufwand zu entlasten. Konkret geht es bei dem Projekt „Arbeit 4.0“ um die Digitalisierung des Zeitmanagements, der Routenplanung sowie der Arbeitszeit- und Kostenabrechnung. „Wir wollten herausfinden, welche Potenziale für uns in einer Digitalisierung liegen“, erläutert Nicole Munick.
Entscheidend für einen reibungslosen Ablauf ist die Kommunikation zwischen den Klienten, den Mitarbeitenden und der Leitung. Hier setzt das Projekt an: Die Mitarbeitenden dokumentieren ihre Termine und Leistungen nicht länger analog auf Papier, sondern über mobile Endgeräte direkt beim Klienten. Durch die digitale Erfassung der Informationen „in Echtzeit“ wird es für die Leitung möglich, tagesgenaue, individualisierte Dienstpläne zu erstellen und rasch auf Veränderungen zu reagieren – beispielsweise frühzeitig eine Vertretung zu organisieren. Auch die Mitarbeitenden haben jederzeit mobilen Zugriff auf ihren Dienstplan und können Informationen auf digitalem Weg mit ihren Kolleginnen und Kollegen teilen. „Wir haben sehr tolle und motivierte Mitarbeitende, also müssen wir auch mit der Zeit gehen“, so Munick.

Drei Schritte zur Einführung

Soweit die Theorie – doch wie ging die Stephanus-Stiftung vor? Für die Erprobung wählte sie zunächst eine Piloteinrichtung: das Betreute Einzelwohnen in Templin mit seinen sechs Mitarbeitenden. Der erste Schritt zur Digitalisierung war eine genaue Analyse der bisherigen Abläufe. 

In Gesprächsrunden erfassten und visualisierten die beteiligten Kolleginnen und Kollegen alle Einzelschritte eines Klientenbesuches und der damit verbundenen Planung und Dokumentation. Wann und wo werden Daten eingetragen und übermittelt? Welchen Informationsfluss braucht es in schwierigen Situationen? Was passiert zum Beispiel, wenn bei einer Klientin oder einem Klienten eine akute Krise auftritt oder Mitarbeitende krank werden? Schon das gemeinsame Durchspielen der einzelnen Arbeitsschritte und möglicherweise auftretenden Probleme war aufschlussreich. „Alle Beteiligten waren sehr überrascht, wie viel Organisation dahinter steckt und wie viel in analogen Strukturen passiert“, so Munick. „Im Alltag nimmt man dies gar nicht so wahr.“

Auf Grundlage der Analyse entstand der Entwurf einer rein digitalen Planung und Dokumentation mit so wenig Doppelarbeit und Wegen wie möglich. Dann wurde eine hierfür geeignete Software recherchiert, eingekauft und angepasst. Die Mitarbeitenden erhielten Tablets und eine Softwareschulung und es begann der Probebetrieb im Testsystem. In dieser dritten Phase zeigten sich einige „Kinderkrankheiten“, die noch zu beheben waren. Zum Beispiel loggte die Software die Mitarbeitenden zu schnell automatisch aus. 

Im Mai 2020 war es dann soweit: Das neue System ging in den Live-Modus. Terminabsprachen, Aufträge, Abrechnungen – das alles wird nun von Anfang an digital erfasst und verarbeitet. Die vielen vollgeschriebenen Notizbücher, Terminkalender und Ausdrucke gehören der Vergangenheit an. Was sich im Testbetrieb bewährt hat, soll jetzt im Echtsystem funktionieren und wird fortlaufend optimiert. 

Ein erstes Fazit

Inzwischen ist das neue System seit vier Monaten im Einsatz und wird schrittweise an weiteren Standorten der Stephanus-Stiftung eingeführt. Welche langfristigen Effekte die Umstellung hat, ist noch zu untersuchen. Allerdings lässt sich heute schon sagen, dass es sich gelohnt hat. Die Mitarbeitenden setzen sich aktiv mit ihren mobilen Endgeräten und der neuen Software auseinander. Bereits bei der Pilotgruppe werden Zeitersparnisse durch die digitale Dokumentation und Rechnungslegung sichtbar. Zeit, die der persönlichen Betreuung der Klienten zu Gute kommt.

Gemeinsam mit dem V3D hat die Stephanus-Stiftung auch Erfahrungen zur Frage gesammelt, worauf es bei der Digitalisierung ankommt. Alle Mitarbeitenden und Beteiligten sollten von Beginn an in den Prozess eingebunden werden. Zudem hat sich gezeigt: Der versierte Umgang mit digitalen Medien ist nicht den Jüngeren vorbehalten, sondern in jeder Altersgruppe erlern- und anwendbar. Das Wichtigste: Die Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Sie muss einen echten Mehrwert schaffen, in diesem Fall mehr Zeit für das Wesentliche – die Arbeit mit den Menschen.

Alexander Wragge
Verband diakonischer Dienstgeber
in Deutschland e.V.

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