Bericht Andacht

Stephanus-Lichtblick im Havelland bietet Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen verschiedene Exkursionen und Begegnungsmöglichkeiten an. Im August besuchte eine Gruppe die Katholische Kirche in Nauen. Eine Besucherin schrieb dazu später diesen sehr persönlichen Erfahrungsbericht, möchte aber namentlich nicht genannt werden.

„Ich war vorhin bei der Andacht in der Katholischen Kirche St. Peter und Paul in Nauen. Ich war sehr nervös, weil ich nicht kirchlich und deshalb auch nicht getauft bin. Ich kenne mich überhaupt nicht mit den Gebräuchen aus. Aber ich bin auch sehr neugierig und der Besuch von Kaplan Wronski beim Stephanus-Lichtblick und unserem Besuch in seiner Kirche mit Führung fand ich sehr spannend.  

Ich hörte die Glocken und zum ersten Mal riefen sie ja auch damit mich. Vor der Kirche stand niemand, aber ich wagte mich hinein.  

In der Kirche waren einige Gläubige im Rosenkranzgebet vor der Mutter Maria vertieft. Mucksmäuschenstill setzte ich mich mittig hin und war bereit, respektvoll alles zu beobachten. Ich sah Kaplan Wronski und winkte ihm. Er winkte zurück und sofort fühlte ich mich da auch willkommen.  

Als ich das Gefühl hatte, das ich die Betenden nicht damit störe, zündete ich für meinen verstorbenen Vater eine Kerze an. Die anderen nickten mir freundlich zu. Neben der Marienstatue ist eine kleine Leuchttafel, auf der eine Zahl erschien. Die anderen blätterten in einem Buch. Ich holte mir auch schnell eines von den Büchern am Eingang und las die Stelle mit der Nummer. Das heutige Thema war also eines der Gebote: „Du sollst nicht stehlen!“. Da stand aber noch viel mehr dazu zum Nachdenken. Was Recht und Unrecht ist und was man selbst tun kann, um sich nicht zu verlieren. Sehr gut ausgesucht zu den Geschehnissen in der Welt.  

Dann begann die Andacht. Kaplan Wronski erschien in einer grünen Robe und sprach zu dem Thema. Eine Frau las einen Text. Immer wieder standen wir alle auf und setzten uns wieder. Ich hatte das Gefühl, das jede Geste eine tiefe Bedeutung hat. Die Gläubigen kennen bestimmt schon alle Texte und Lieder und sie sprachen an vielen Stellen mit. Ich stand natürlich immer mit auf und versuchte wenigstens die Liedtexte mitzulesen. Es störte sich aber niemand daran, dass ich das alles nicht konnte. Ich fand es irgendwie sehr beruhigend.  

Da waren viele Menschen, die auch versuchten, Ruhe und Stärke in sich zu finden. Obwohl ich die Menschen dort gar nicht kannte, fühlte ich mich mit ihnen verbunden. Dann spielte die Orgel. Die Vibrationen der Musik spürte man von den Fußsohlen bis in die Haarspitzen. Das erinnerte mich an das Meditieren, wo ich auch oft dieses Gefühl der Erdung und Verbundenheit habe. Ich kann leider überhaupt nicht singen, aber Kaplan Wronski hat eine wunderschön melodisch tiefe Stimme.  

Dann nahm Kaplan Wronski den Leib und Blut Christi ein und empfing damit seinen Segen. Er aß dazu eine von den kleinen weißen Oblaten, die ich immer nehme, wenn ich Mandel- oder Kokosmakronen backe, und trank aus dem Kelch. Danach segnete er die Gläubigen. Dazu stellten sich alle vor ihm in eine Reihe auf. Ich habe mich nicht getraut, weil ich doch nicht getauft bin und ich nicht das Gefühl hatte, dass ich den Segen verdiene.

Nach der Andacht kam Kaplan Wronski auf mich zu und ich bedankte mich, dass ich dabei sein konnte und die Andacht sehr schön fand und er eine sehr schöne Stimme hat. Ich sagte ihm, dass ich mich nicht getraut habe, den Segen zu empfangen, weil ich nicht getauft bin. Er sagte, dass man sich trotzdem anstellen kann und dann dem Kaplan oder Pastor ein Zeichen gibt, indem man eine Hand auf das eigene Herz legt. Dann bekommt man einen alternativen Segen. Das machen auch Kinder, die ja auch noch nicht getauft sind.

Dann gesellte sich die Dame, die die Orgel gespielt hat, zu uns. Sie erzählte, dass die Orgel nur in den kälteren Monaten funktioniert, weil sie im Sommer pfeift, wie sie will. Die Orgelspielerin meinte auch, dass Kaplan Wronski wunderschön singen kann und er wurde sehr rot und verabschiedete sich freundlich. :)
Die Gläubigen plauschten noch untereinander und wir nickten uns alle freundlich zu. Dann verabschiedete ich mich auch.

Ich fand es sehr schön und würde auch wieder zu einer Andacht hingehen. Allein oder über den Stephanus-Lichtblick.“

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