Unter dem Titel „Radio für Alle“ startete im letzten Jahr eine Kooperation zwischen den Werkstätten Bad Freienwalde und Radio Słubfurt, einem nichtkommerziellen Lokalradio aus dem Raum Frankfurt/Oder. In fünf Workshops erfuhren Beschäftigte, wie Radiosendungen entstehen und Interviews geführt werden. Wie es zu diesem Projekt kam, erfuhr Miriam Doberschütz im Gespräch mit Initiatorin Svenja Hartmann, Referentin für den Bereich Rehabilitation im Geschäftsbereich Werkstätten.
Frau Hartmann, die Arbeitsbereiche unserer Werkstätten haben eigentlich keine Berührungspunkte mit dem Radio. In welchem Rahmen fand die Kooperation statt?
In den Werkstätten gibt es ja mehr als nur Arbeit. Im Rahmen der „Begleitenden Angebote“ suchen wir immer spannende Themen, durch die sich unsere Beschäftigten nicht nur in Bezug auf die Arbeit, sondern auch auf die Persönlichkeit weiterentwickeln können. Die Angebote finden während der Arbeitszeit statt und jeder Beschäftigte hat das Recht, an ihnen teilzunehmen. Das können Sportangebote, kreative Angebote oder eben ein Radioprojekt sein.
Wie sind Sie auf ein Radioprojekt gekommen und wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Radio Słubfurt?
Das war ganz spontan. Ich kannte einige Projekte, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Radio machen. Durch die Corona-Krise waren Menschen mit Behinderung noch weniger in den Medien vertreten als ohnehin schon. Ich habe mir gewünscht, ihnen im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme verleihen zu können. Bei meiner Suche nach einem geeigneten Radiosender bin ich auf Radio Słubfurt gestoßen, ein freies Bürgerradio, das sich besonders offen und tolerant präsentierte. Nach einem kurzen E-Mail-Wechsel ging alles ganz schnell. Ich nahm an den Redaktionskonferenzen teil und schon planten wir fünf Workshops für die Beschäftigten in Bad Freienwalde. Die Zusammenarbeit lief wirklich reibungslos und einfach.
Wie haben die Beschäftigten auf das Angebot reagiert und was denken Sie, war ihre Motivation, mitzumachen?
Wir konnten 14 Beschäftigten ermöglichen, am Radioprojekt teilzunehmen. Zwei von ihnen sind Steffi Löschner und Robert Roth. Beide arbeiten in der Betriebsstätte Falkenberg. Steffi war einfach neugierig und wollte neue Erfahrungen sammeln, wie Radio „gemacht“ wird. Robert ist schon seit längerem an Medien interessiert. Er wollte mehr über die Abläufe erfahren, wie Radiosendungen entstehen. Deswegen war er auch schon an Tagen der offenen Tür bei BB-Radio oder auch im ARD-Studio in Berlin zu Besuch.
Was passierte denn genau in den Workshops?
Keine fünf Minuten nachdem Frank Bretag – Vorstand und Programmverantwortlicher von Radio Słubfurt – und sein Kollege Bernd Schwarz (der übrigens blind ist) den Raum betreten und die Beschäftigten begrüßt hatten, stieg die Stimmung rasant. Sie haben es mit ihrer offenen und routinierten, amüsanten Art sofort geschafft, Zugang zu uns allen zu finden und uns Berührungsängste zu nehmen. Diese positive Atmosphäre zog sich durch alle Workshops und Einheiten hindurch.
In den Workshops wurde geübt, wie man die Zuhörer vor dem Radio anspricht. Außerdem ging es darum zu lernen, wie man Interviewfragen stellt und interessante Antworten von seinem Interviewpartner bekommt. Oder wie man ein Aufnahmegerät benutzt. Dann wurden gemeinsam Fragen entwickelt und viele Interviews geführt!
Was hat die Teilnehmenden am meisten interessiert?
Steffi Löschner zum Beispiel interessierte sich sehr für die Interviews. Die Antworten von Werkstattleiter Roman Bourwieg fand sie am spannendsten. Sie erfuhr neue Dinge über ihn, die sie so noch nicht wusste. Robert Roth fand die Interviews am interessantesten, weil er sich selbst Fragen ausdenken und den Interviewpartnern stellen konnte.
Sind im Rahmen des Workshops Beiträge entstanden, die dann auch gesendet wurden?
Alle Interviews mit den Studiogästen wurden aufgenommen und am Ende durch die Workshopleitungen zusammengeschnitten. Jeder erhielt zwei CDs mit den Ergebnissen. Das Beste war aber, dass am 23.12.2021 unsere ganz persönliche Stephanus Grußsendung live im Radio übertragen wurde. Jeder konnte vorab seine Grüße und einen Liedwunsch loswerden. Und im Anschluss wurden auch noch die Ergebnisse aus den Workshops gesendet. Nachhören kann man es leider nicht mehr.
Was ist Ihr Fazit des Workshops - Wird es noch weitere Kooperationen mit dem Radio-Sender geben?
Mein Fazit ist: Radio macht wahnsinnig viel Freude. Das Projekt war aus Sicht aller Beteiligten ein Erfolg.
Unser Wunsch ist es, die neu entstandene Kooperation weiter wachsen zu lassen und es nicht bei dem Auftakt zu belassen. So sollen sich alle zwei Monate unsere Nachwuchsredakteure wieder zusammenfinden und neuen Stoff für die Radiowelt produzieren. Eine Fortsetzung ist ab Februar 2022 geplant. Man wird also weiter von uns im Radio hören!