Digitalisierung (er)fordert Kulturwandel und Ausdauer

Nicole Munick und Harald Thiel

Nicole Munick und Harald Thiel

Nach drei Jahren erfolgreicher Projektarbeit ist das durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Projekt „Arbeiten 4.0“ am Ziel angekommen. Sechs Mitgliedsunternehmen des Verbands diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) haben in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Konzepte zum Einsatz neuer digitaler Technologien entwickelt und getestet. Die Teilnahme an dem Projekt erfolgte durch einen Impuls des Kaufmännischen Vorstandes Harald Thiel und seinen Kontakten zum (VdDD).

Als Pilotprojekt nahmen die Kolleginnen und Kollegen des Einzelwohnens und der Begleiteten Elternschaft in Templin teil. Dabei wurden unternehmensinterne Prozesse und Arbeitsabläufe optimiert. Ein wesentliches Ziel war es, die Anforderungen von Kunden aufzugreifen und diese bei Angeboten und Dienstleistungen lösungsorientiert einzubeziehen. Außerdem galt es, die Mitarbeitenden beim Erwerb digitaler Kompetenzen zu unterstützen und damit auch deren Zufriedenheit zu erhalten und zu fördern.

In der Stephanus-Stiftung begleiteten Nicole Munick und Vorstand Harald Thiel das Projekt.

Frau Munick, wie ist das Projekt bei Stephanus in der Testphase gelaufen?

Es ist immer wieder schön mitzuerleben, wie engagiert sich Mitarbeitende einbringen, um ihre digitale Arbeit mitzugestalten. Ich bin stolz auf die Templiner Mitarbeitenden der Pilotgruppe. Trotz des hohen Pensums an Arbeitsaufgaben haben sie gemeinsam mit der Projektleitung und der Stephanus IT den aktuellen IST-Stand ihrer Arbeitsabläufe analysiert und ein SOLL für die zukünftige Arbeit entwickelt. Sie trugen maßgeblich dazu bei, dass unser neues Dokumentationsprogramm noch näher den realen Gegebenheiten angepasst werden konnte.
„Technik, die begeistert“ – lässt sich nach zwei Seiten auslegen. Die neuen mobilen Endgeräte haben die Neugier geweckt. Technische Probleme gibt es aber auch. Diese werden auch immer wieder mal auftreten.

Welche Erkenntnisse gab es und wie wurden sie umgesetzt und was ist jetzt anders?

Nicole Munick: Die mobile Arbeit entlastet die Büro-Situation der Kolleginnen und Kollegen deutlich. Das Arbeiten an anderen Orten minimiert den ständigen Weg zum Büro und die Absprachen, wann wer im Büro Dokumentation oder Berichte schreiben kann.

Trotz der Pandemie-Situation konnten wir in der ersten Jahreshälfte 2020 alle Standorte des Betreuten Einzelwohnens und der Begleiteten Elternschaft mit den mobilen Endgeräten ausstatten und Online-Schulungen durchführen. Hier ziehe ich auch den Hut vor den Mitarbeitenden dort: neue Technik, mit der man sich auseinandersetzen muss und gleichzeitig eine neue Art der Dokumentation. Diese Herausforderungen zu stemmen, war nur möglich, weil alle im ständigen Austausch geblieben sind. Alle Wünsche konnten wir nicht umsetzen. Aber wir sind der optimalen Lösung schon einen großen Schritt näher gekommen.

Herr Thiel, welchen Nutzen haben diese Erfahrungen für die gesamte Arbeit in der Stephanus-Stiftung?

Durch das engagierte Arbeiten im Projektteam haben wir wertvolle Impulse für prozessorientier-tes und digitales Arbeiten erhalten. Auch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit im Projekt hat uns gezeigt, dass es sich lohnt kooperativ zu handeln.

Was wird sich aus Ihrer Sicht in der Arbeitsorganisation verändern?

Harald Thiel: Wir wollen weiterhin die dezentrale Eigenständigkeit vor Ort stärken. Das unterstützen wir durch zunehmend optimierte und digitale Prozesse, die zentral in bereichsübergreifenden Netzwerken erarbeitet werden. Auch das ist Arbeiten 4.0: eine hohe Autonomie in der Arbeit am Klienten bei gleichzeitig transparentem und fachlich orientiertem Erarbeiten von Un-terstützungsprozessen. Der Bezug zu institutionellen Angeboten nimmt ab, da Mitarbeitende nicht mehr zwingend darauf angewiesen sind, im „Heim“ die Dokumentation durchzuführen. Mobiles Arbeiten stärkt die Autonomie des Klienten, aber auch die Freiheit der Mitarbeitenden, da sie viel flexibler ihre Arbeitszeit planen können.

Frau Munick, sind weitere Umsetzungsphasen vorgesehen?

Den ersten Schritt sind wir bereits mit der Umsetzung an den weiteren ambulanten Standorten innerhalb unseres Geschäftsbereiches gegangen. Inzwischen gab es Anfragen aus den Familienentlastenden Diensten, um die Dokumentation und damit das Berichtswesen transparenter und damit auch über deren Standorte hinweg einheitlich zu gestalten.

Auswirkungen gibt es jedoch nicht nur auf die ambulanten Dienste. Die gleiche Dokumentations-Software wird derzeit auch in den besonderen Wohnformen eingeführt. Das Programm selbst ist sehr flexibel in seiner Gestaltung. Nachdem wir die Möglichkeiten bereits kennen, waren die technischen Anpassungen an die Gegebenheiten besser nachvollzieh- und umsetzbar. Unsere IT-Abteilung ist ein Segen. Kompetente Mitarbeitende beraten uns und sind zusammen mit dem Software-Anbieter die fleißigen Hände im Hintergrund. Auch ihnen gilt ein sehr großer Dank.

Herr Thiel, wie wird sich die Arbeitswelt bei Stephanus entwickeln?

Aus meiner Sicht werden wir attraktiver für Klienten und Mitarbeitende, da wir weiter „digitalisieren“. Das bedeutet: Manuelle und wiederkehrende Tätigkeiten werden durch IT-Unterstützung einfacher und weniger aufwendig. Das schafft Freiheit für mehr Arbeit am Klienten. Schnittstellen zur Verwaltung werden klarer und es entstehen attraktive Arbeitsangebote, da mobiles Arbeiten auch mehr Flexibilität schafft.

Aber wir müssen auch darauf achten, dass in unseren besonderen Wohnformen ähnliche Projekte starten, damit auch hier weiterhin interessante und attraktive Arbeitsplätze bestehen bleiben. Wie ist die Dokumentation weiter digital zu unterstützen? Wie können sich Arbeitszeitmodelle weiterentwickeln? Fragen, die wir im Kontext der fachlichen Weiterentwicklung vor dem Hintergrund des BTHG (Bundesteilhabegesetz), dem sich veränderten Arbeitsmarkt sowie unserer Digitalisierungsstrategie besprechen und beantworteten müssen!

Nicole Munick: Wir haben gelernt, dass uns Digitalisierung in Zeiten der Pandemie nicht ausbremsen kann. Mit neuen Rahmenbedingungen können wir genauso effektiv sein, wie ohne Pandemie und sogar darüber hinaus. Die Arbeit als Co-Team aus einem Mitarbeitenden der IT und einer Referentin des Geschäftsbereiches hat sich bewährt. Die Mitarbeitenden vor Ort nehmen diese Form auch sehr gerne an.

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