Alle Sinne berühren

Bewohnerin und Gero Ulbricht im Garten

Die Gartenarbeit mit Gero Ulbricht (rechts) ist für die Bewohner auch in Zeiten mit Beschränkungen eine willkommene Abwechslung im Alltag.

Das Haus Müggelspree in Berlin Köpenick beschäftigt einen Gartentherapeuten, der für die Senioren dort Natur- und Sinneserlebnisse schafft.

Die Hände in die kühle Erde stecken und den feinen Geruch einatmen - Gartentherapie berührt alle Sinne. Wir ertasten Blätter, sehen die Farben der Blüten, hören den Wind in den Blättern, riechen an einer Rose, schmecken eine Erdbeere und fühlen uns der Natur nah.

Gero Ulbricht arbeitet als Gartentherapeut im Haus Müggelspree der Stephanus gGmbH. Mit Kinnbart, silbernem Ohrring, Stirnband und einem Lächeln strahlt er Begeisterung und Naturverbundenheit aus. „Es ist ganz selten, dass ein Seniorenzentrum einen Gartentherapeuten engagiert“, sagt Petra Schomacker, Einrichtungsleiterin des Hauses Müggelspree. „Durch ihn können wir unsere Angebote für die Bewohnerinnen und Bewohnern erweitern und mehr Vielfalt im Alltag bieten.“

Einen Großteil seiner Therapiearbeit führt Gero Ulbricht im „Garten der Begegnung“ durch. Gleich neben dem Haus gelegen, ist das ein beliebter Treffpunkt der Bewohnerinnen und Bewohner. Gleichzeitig sind aber auch Menschen aus dem Kiez zum Verweilen und Mitgärtnern eingeladen. Sie können die Hochbeete des Gemeinschaftsgartens kostenlos mieten und bewirtschaften.

Vor seiner Tätigkeit bei Stephanus arbeitete Gero Ulbricht zunächst in verschiedenen Bereichen der Gemüseproduktion sowie des Garten- und Landschaftsbaus. Bevor er 2017 ins Haus Müggelspree wechselte, war er in einem Berliner katholischen Krankenhaus für den Fachbereich Garten zuständig und absolvierte in Erfurt eine Zusatzausbildung zum Gartentherapeuten.

Wer denkt, dass Gartentherapie nur in den warmen Monaten stattfindet, täuscht sich. Gartentherapie wird sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen durchgeführt. Je nach Wetterlage kann man im Garten an den selbstgepflanzten Kräutern schnuppern oder neue Blumen einpflanzen. Bei schlechtem Wetter säen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Beispiel Töpfe ein oder bereiten aus geerntetem Obst und Gemüse leckere Gerichte zu.

In seiner Arbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern setzt Gero Ulbricht darauf, dass viele von ihnen aktiv mitarbeiten und gestalten möchten. „Erinnerungen werden ja nicht nur durch Kartoffelschälen oder Gemüse-Einmachen geweckt“, sagt er schmunzelnd. „Durch das Ansprechen aller Sinne und das Wiederentdecken von Bewegungsabläufen können auch vermeintlich vergessene Erinnerungen wieder hervorgebracht werden.“

Neue Fähigkeiten, wie z.B. Rosen beschneiden, können gelernt werden. Für die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus Müggelspree ist das eine tolle und mitunter erheiternde Erfahrung. Und das alles hebt die Lebensqualität enorm.

Die aktuelle Coronakrise beschäftigt auch Gero Ulbricht sehr. „Die gewohnte Gartentherapie ist ja gerade nicht möglich“, sagt er. Deshalb leiste er jetzt vor allem psychologische Arbeit. Ulbricht erklärt den Bewohnerinnen und Bewohnern in Einzelgesprächen, wieso zum Beispiel die Isolationsmaßnahmen notwendig sind. Doch es geht auch um Erinnerungsarbeit und unterhält sich mit ihnen über ihre vergangenen Erfahrungen rund um das Thema Garten. Dabei sprechen sie über Landwirtschaft, den alten Garten von früher oder das Kochen.

Während der Einzelgespräche geht Gero Ulbricht mit seinen Gesprächspartnern wenn möglich auf den Balkon oder in den Garten, der momentan noch abgeschlossen ist. Draußen und mit Abstand können sie sich auch ohne Mundschutz unterhalten und frische Luft schnappen. „Das tut den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr gut“, bestätigt Gero Ulbricht.

Gartentherapie hat also einen hohen Mehrwert. Sie kann auch dazu beitragen, die Innenräume der Einrichtung zu begrünen. „Die Bewohnerinnen und Bewohner sind oft sehr motiviert, die Pflege der Pflanzen zu übernehmen“, erläutert Ulbricht, also auch ein Stück Verantwortung.

„Die Gartenstunde ist ganz wichtig im Alltag der Bewohnerinnen und Bewohner“, sagt Gero Ulbricht. „Sie atmen hörbar auf, sobald sie den Garten betreten, sie genießen die Wärme der Sonne und Wind, der ihre Haare zerzaust.“ Gartentherapie berührt eben alle Sinne.

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