Frau Jungnickel, was bedeutet Dementia Care Mapping?
Dementia Care Mapping – kurz DCM – ist ein Beobachtungsinstrument, mit dem man die Lebensqualität von Menschen mit Demenz einschätzen kann. Das „Mapping“ hat mit dem englischen Wort für Landkarte zu tun. Wir erstellen zwar keine Landkarte, aber wir zeichnen sozusagen ein systematisches Bild vom Wohlbefinden eines Menschen.
Was ist der Hintergrund?
Die Basis ist der personenzentrierte Ansatz, den der englische Psychologe Tom Kitwood ab 1987 entwickelte. Dieser Ansatz stellt die Person – und nicht die Krankheit – in den Mittelpunkt aller Betrachtungen. Auch wenn ein Mensch demenziell erkrankt, bleibt er doch der Mensch, der er war. Der Erhalt und die Stärkung des „Person-Seins“ ist laut Kitwood das oberste Ziel in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Denn für das Wohlbefinden eines Menschen ist sein Person-Sein enorm wichtig, also seine Gefühle, sein Verhalten, seine Identität.
Und da setzt das Dementia Care Mapping an?
Genau. Tom Kitwood hat das DCM entwickelt, um damit messen zu können, inwiefern der personenzentrierte Pflegeansatz für Menschen mit Demenz auch umgesetzt wurde. Das Datenmaterial, das wir erheben, gibt Auskunft über den Grad des Wohlbefindens.
Aber wie lässt sich Wohlbefinden messen?
Wir beobachten! Wir begleiten einen Menschen einen Tag lang, beobachten und dokumentieren sein Verhalten, seine Interaktion mit anderen Menschen sowie negative und positive Erlebnisse. Dafür stehen uns im DCM zahlreiche Kategorien zur Verfügung.
Nennen Sie bitte ein Beispiel.
Wenn etwa ein Mensch mit Demenz Mühe hat sich zu artikulieren, kann es passieren, dass eine Pflegekraft nicht abwartet und gleich weiterredet. Der Betroffene fühlt sich überholt und nicht wahrgenommen. Mithilfe des personenzentrierten Ansatzes hat man eine andere Sicht auf den Menschen und würde sensibler auf ihn eingehen.
Also profitieren auch die Pflegekräfte?
Natürlich. DCM schärft die Wahrnehmung und verschafft uns einen neuen Zugang zu Menschen mit Demenz, über die rein biografischen Informationen hinaus. Hinzu kommt: Für die Mitarbeitenden ist das DCM eine Möglichkeit, die Qualität der Pflege offener und transparenter zu machen. Wir „mappen“ normalerweise zweimal pro Jahr – das heißt: Wir können eine Entwicklung aufzeigen. Ziel ist ja, dass sich die Lebensqualität der Menschen mit Demenz nachweisbar steigert. Das alles sorgt für eine höhere Zufriedenheit auch bei den Mitarbeitenden.
Bekommen Sie auch von den Angehörigen ein Feedback?
Ja, ich habe schon oft gehört, dass die Seniorinnen und Senioren zufriedener, umgänglicher und ausgeglichener sind. Oder mehr lächeln und offensichtlich mehr Freude am Leben haben. Ein Ehemann sagte mal: „Was haben Sie denn mit meiner Frau gemacht“?
Wie kamen Sie selbst zum DCM?
Ich war Betreuungsassistentin und habe an der Universität Witten eine DCM-Ausbildung absolviert. Das besonders Innovative an DCM ist das „in den Schuhen des Anderen Laufen“. So können wir wirklich dazu beitragen, dass sich das Leben der Betroffenen verbessert. Das liegt mir sehr am Herzen. Ja, es kostet Zeit und braucht viel Geduld. Aber es macht auch sehr viel mit mir. Man lernt, den Menschen ganz offen, empathisch und wertschätzend gegenüberzutreten.
Bisher gibt es DCM nur in unseren Pflegeeinrichtungen in Strausberg und Grünheide?
Richtig. DCM gewinnt zwar an Popularität, ist aber in ganz Berlin noch nicht sonderlich verbreitet. Ich wünsche mir, dass es in den Stephanus-Pflegeeinrichtungen noch ein oder zwei weitere „Mapper“ gibt.