Was mir wichtig ist

„Der Mensch wird am Du zum Ich.“

Der Mensch ist am Werden und Wachsen. Es geht immer weiter, nie hört es auf.

Mir ist es wichtig, weiter zu wachsen. Fachlich mit Inhalten, aber auch persönlich in allen Lebensthemen. Es geht immer weiter und die Chance, dass man stets neues Lernen und über sich hinauswachsen kann, macht mir Mut.

Es hört nie auf. Bei einigen Klient*innen unserer Gruppe gibt es zunehmend scheinbar Rückschritte. Fähigkeiten, die verlernt/vergessen werden. Was schnell untergeht: Sie wachsen immer noch weiter. Es entsteht ein neues Lebensgefühl, welches sie ausstrahlen und teilen. Sie schenken uns eine neue Ruhe und manchmal sogar Gelassenheit. Und auch wenn sie nicht (mehr) sprechen, erzählen die Augen von der Lebensweisheit.

Mir ist es wichtig, immer im Werden zu bleiben. Immer mehr Mensch zu werden.
Und vielleicht irgendwann die Weisheit unserer Klienten zu teilen. „Der Mensch wird am Du zum Ich.“

Begegnen sich zwei Menschen, passiert unweigerlich etwas, Kleines oder Großes. In Begegnungen können Räume entstehen. Räume, in denen man einander sieht und ernst nimmt. Freude und Leid teilt. Räume, die zum Wachsen einladen.

Menschen beeindrucken mich mit ihren Lebensgeschichten, so viele verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse! Mir ist es wichtig zu hören, was mein Gegenüber, das „Du“, bewegt. Mir ist es wichtig, das „Du“ ernst zu nehmen, mit allem, was es bewegt. Mir ist es wichtig, für das „Du“da zu sein und gemeinsam Wege zu beschreiten.
„Der Mensch wird am Du zum Ich.“


In einem Gespräch über einen kürzlich verstorbenen Klienten unserer Gruppe wurde mir klar, wieviel ich von ihm lernte. Er war ein Mensch, der sehr genau darauf reagierte, mit welcher Stimmung ich zu ihm kam. War ich angespannt oder schlecht drauf, merkte ich es zuerst an seinen steifen Muskeln, bevor ich mir selbst dessen bewusst war. Meine Anspannung bewirkte, dass er ebenfalls mit Anspannung reagierte und das Waschen und Anziehen schwerer fiel.  

Er zeigte mir, wie es mir geht, bevor ich es selber merken konnte. So lernte und übte ich Strategien, um die Gedanken, die nicht in die Pflege- und Assistenzsituation gehörten, vor dem Zimmer zu lassen. Mir war es wichtig, Zeit für ihn zu nehmen, mich ihm zu widmen, ohne Gedanken an vergangene oder zukünftige Aufgaben. Und das nehme ich mit für mehr Miteinander: Einfach im Hier und Jetzt sein, ganz dem anderen begegnen.

Das Zitat stammt von Martin Buber, einem berühmten jüdischen Religionsphilosophen. Er beschreibt in seinen Werken, wie der Mensch ein Gegenüber zum Leben braucht. Er sieht das Gegenüber sowohl in Erfahrungen mit anderen Menschen, mit der Umwelt und ganz besonders mit Gott. Und alle Perspektiven – Werden, Du und Ich – sind auf die Beziehung zu Gott übertragbar.

So wünsche ich innerhalb und außerhalb von Stephanus viele wertvolle Begegnungen mit Mitmenschen und mit Gott!
 

Diakonin Nora Küchler
Mitarbeiterin auf dem Ulmenhof im Bereich Wohnen und Assistenz

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