Gestalter und bekennender Christ:

Der frühere Direktor der St. Elisabeth-Stiftung Dietmar Streit erinnert sich

Die Geschichte der Stephanus-Stiftung ist seit dem Jahre 2001 auch eng mit der Geschichte der St. Elisabeth-Stiftung verbunden, die im Jahr 1856 in Berlin gegründet wurde. Beide diakonischen Stiftungen hatten sich nach der Wende 1989 wirtschaftlich stark in ähnlichen Geschäftsfeldern entwickelt. Um sich in den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen besser aufstellen zu können, vereinbarten beide Stiftungen eine enge Kooperation. Zunächst im Bereich einer gemeinsamen Verwaltung und später in gemeinsamen Tochtergesellschaften. Zum Jahresende 2013 ging die St. Elisabeth-Stiftung als juristische Person in der Stephanus-Stiftung auf. Die von den Gründern seinerzeit festgelegten Aufgaben werden heute in der Stephanus-Stiftung weitergeführt.

Einer der maßgeblichen Gestalter in der St. Elisabeth-Stiftung nach 1989 war der damalige geschäftsführende Direktor Dietmar Streit. Der bekennende Christ durfte in der DDR nur im Fernstudium Ingenieurswesen studieren und arbeitete derweil in einem volkseigenen Betrieb, der Kraftwerke und Chemieanlagen herstellte. Dort übertrug man ihm über die Jahre hinweg zunehmend mehr Verantwortung, so dass er Ende der 80er Jahre Ökonomischer Direktor und Mitglied der Betriebsleitung war.

Aus Anlass seines 80. Geburtstages führte Martin Jeutner mit ihm dieses Interview:


Herr Streit, seit wann trugen Sie Verantwortung im St. Elisabeth Stift?

Mir wurde 1992 die Geschäftsführung übertragen. Damals gehörten neben dem Mutterhaus im Prenzlauer Berg auch zwei kleinere Pflegeeinrichtungen in Pankow sowie das Stift Marienfließ in der Prignitz dazu. Das Feriendorf Groß Väter See in der Uckermark und das ehemalige Gästehaus der SED-Berlin in Berlin-Schmöckwitz befanden sich zu dieser Zeit in unserer Verwaltung.  


Welchen Herausforderungen stellten Sie sich damals?

Zunächst bauten wir eine Verwaltung auf, die den neuen Anforderungen gewachsen war. Wir haben die Mitarbeitenden qualifiziert und gleichzeitig die elektronische Datenverarbeitung eingeführt. Alle Pflegeeinrichtungen mussten schnellstmöglich modernisiert werden. Parallel dazu entwickelten wir neue Konzepte für alle neuen Liegenschaften, die der Stiftung übertragen wurden.

So übernahmen wir vom Berliner Senat und der Landesregierung Brandenburg mehrere Pflegeeinrichtungen und übernahmen die dort vorhandenen Mitarbeitenden. Als diakonischer Träger konnten wir deren Vertrauen gewinnen, so dass wir den Betrieb in den Einrichtungen gut fortsetzen konnten. Gleichzeitig gründeten wir mit Partnern verschiedene ambulante Pflegedienste in den östlichen Stadtbezirken von Berlin.

Wir erweiterten unsere Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Ein wichtiger Meilenstein war auch die Gründung der SES Heim- und Klinikservice GmbH, der heutigen Stephanus Services gGmbH.


Was war Ihnen in dieser Zeit besonders wichtig?

Neben den grundsätzlichen juristischen und finanztechnischen Fragen war mir am wichtigsten, dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die tiefgreifenden Veränderungsprozesse mit einbeziehen. Die Arbeitsmarktlage in Ost-Berlin damals war mehr als miserabel. Daher war es sehr wichtig, ein verlässlicher Arbeitgeber zu sein, der seinen finanziellen und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen jederzeit nachkommt. Dazu gehörte auch die Einführung einer zusätzlichen Altersversorgung für alle Mitarbeitenden. Anfang 1992 waren rund 190 Frauen und Männer im St. Elisabeth Stift tätig. Am Ende meiner Dienstzeit im Jahre 2004 beschäftigte das St. Elisabeth Stift ca. 1.350 Mitarbeiter*innen. Hier wird deutlich, dass unser Weg richtig war.


Wie kam es zu so einem Anstieg der Mitarbeitenden?

Wir haben unsere diakonische Arbeit neben der ambulanten Pflege auch in andere Aufgabenbereiche erweitert. Mit der Übernahme des staatlichen Kinderheimes in Lychen begann die Entwicklung des neuen Fachbereiches Kinder- und Jugendarbeit. Wegen der großen Nachfrage expandierte auch unsere Pflegefachschule, die schon zu DDR-Zeiten einen guten Ruf hatte.  

In das Feriendorf Groß Väter See haben wir viel investiert, so dass es zu einem beliebten Ort für Berliner Schulkinder und Familienurlaube wurde. In Engelsburg nahe Templin entwickelten wir aus dem früheren Pflegeheim ein Wohn- und Therapiezentrum für suchtkranke Menschen. Im Prenzlauer Berg bauten wir mit Partnern die Wohneinrichtung ZOAR, in der Menschen mit Behinderung eine neues Zuhause fanden. Erwähnen will ich auch die Betreuung von über 600 deutschstämmigen Aussiedlern aus Russland sowie anderen Osteuropäischen Staaten, die uns der Berliner Senat übertragen hatte.  


Gibt es im Rückblick etwas, was sie heute anders gemacht hätten?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Sicher würde man manches heute anders machen. Doch in den Neunzigern waren wir oftmals „Gejagte“. Die politischen und funktionsfähigen Strukturveränderungen in den östlichen Bundesländern liefen ja parallel dazu. Manchmal war ich zu „gutgläubig“. Heute würde ich mit mehr gesunder Skepsis in Verhandlungen gehen.


Wie geht es Ihnen heute mit Ihrer Familie? Wie gestalten Sie Ihren Ruhestand?
 
Wir sind geborgen in einer großen Familie, das ist ein besonderes Glück. Unser Ruhestand ist zu bestimmten Jahreszeiten geprägt von der Pflege unseres großen Grundstückes, zu anderer Zeit sind wir mit dem Wohnwagen, mit dem Fahrrad, zu Fuß oder in anderer Form unterwegs. Meine Frau ist in besonderer Weise und ich peripher eingebunden im Ehrenamt einer diakonischen Einrichtung, die in Lichtenberg ihren Sitz hat. Wir pflegen Freundschaften und den Zusammenhalt unserer Familie. Dabei sind wir gespannt auf Gegenwärtiges und Zukünftiges.

Vielen Dank für dieses Gespräch und alles Gute.

 

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